Risiken bei der Reinigung von Motorradbekleidung
Die Vielfalt an Motorradkombi-Modellen hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Dies betrifft auch die verwendeten Farben und Protektoren. Da die Qualität der verwendeten Materialien und Farben selbst innerhalb einer Marke stark schwanken kann, gibt es ein paar Risiken, die bei einer Reinigung akzeptiert werden müssen (Kundenrisiko). Leider lassen sich die im Folgenden aufgeführten Punkte nicht grundsätzlich auf einzelne Marken oder Modelle eingrenzen. Daher sind die Punkte eine Erfahrungssammlung aus über 20 Jahren Motorradkombi-Reinigung.
Das damit verbundene Kundenrisiko begründet sich darauf, dass so gut wie alle Motorradkombi-Hersteller auf ihren jeweiligen Hinweisseiten zur Pflege angeben, dass ihre Motorradkombis nicht gereinigt oder gewaschen werden dürfen, sondern nur äußerlich feucht abgewischt werden sollen.
Der Hintergrund ist sehr wahrscheinlich, dass die einzelnen Modelle nicht auf Waschbarkeit getestet werden. Für das verwendete Leder (egal ob Rindsleder, Känguruleder, usw.) stellt eine Wäsche nie ein Problem dar. Das Risiko liegt immer bei den „Anbauteilen“ (Reißverschlüsse, Protektoren, usw.) bzw. den verwendeten Materialien für Farbe und/oder Aufdrucke.
Sollten Fragen zu den aufgeführten Risiken auftreten oder Ihr andere Fragen speziell zu Eurer Kombi habt, bitte einfach im Vorfeld telefonisch bei uns melden. Tel: 0372037576
1. Reißverschlüsse, Schieber und Zipper
Reißverschlüsse sind genau genommen Verschleißteile, die alle nicht das „ewige Leben“ haben. Aber auch hier gibt es qualitative Unterschiede, die man nicht immer im Vorfeld erkennen kann. In der Regel werden bei Motorradkombis 3 verschiedene RV-Arten eingesetzt. Dies sind:
- Kunststoff-RV (Spirale) mit Metallschieber aus Gussmaterial
- Kunststoff-RV (große Zähne) mit Metall-Schieber aus Gussmaterial
- Metall-RV mit Metall-Schieber aus Gussmaterial
Alle 3 Varianten haben Ihre Schwachstellen. In den meisten Fällen ist der Schieber die Ursache, warum ein Reißverschluss nicht mehr funktioniert. Oftmals erkennt man das daran, dass sich der RV noch schließen lässt aber der dann von unten wieder aufgeht. Hier ist der Schieber verschlissen und muss erneuert werden.
Bei Kunststoff-Spiral-RV kann auch die Ursache sein, dass eine oder mehrere Spiralen verformt sind. Dann lässt sich der RV gar nicht mehr schließen.
Bei Metall-RV können es ausgebrochene Zähne sein, die den Defekt verursachen.
Eine weitere Schwachstelle ist das Steckteil und das Kastenteil (wo der RV eingefädelt wird). Hier kommt es durch die Häufigkeit der Benutzung zu einem „Ausreißen“ aus der Naht.
Bei der Reinigung stellen eigentlich nur die Schieber/Zipper aus Gussmaterial und die Zähne bei Metall-RV das Risiko dar. Hier können kleine Vorbeschädigungen (Haarrisse) die Ursache sein, damit der Schieber oder ein Zahn bei der Reinigung bricht. Das würde aber auch ohne Reinigung bei weiterer Benutzung ebenfalls passieren.
Kombis mit bereits defekten/fehlenden Zippern erreichen uns fast täglich. Hier wurde sich dann häufig mit Schlüsselringen (gute/langlebige Variante) beholfen.
In allen Fällen können wir natürlich auch eine Reparatur anbieten bzw. würden im Vorfeld eine Info per Mail geben, falls wir kritische Materialzustände entdecken. Reparaturen reichen hier von Anbringen eines Reparatur-Zippers mit Karabiner-Verschluss über Schiebertausch bis hin zum kompletten Austausch des defekten Reißverschlusses.
2. Außenprotektoren
In der Regel verfügen alle modernen Motorradkombis über Außenprotektoren. Am häufigsten sind das Schulterprotektoren oder Protektoren am Arm oder Beinbereich. Diese können sowohl aus Metall als auch aus Kunststoff gefertigt sein. Auch Kunststoff- oder Metallprotektoren an Handschuhen (Knöchel oder Handgelenkschutz) stellen hinsichtlich der Reinigungsbearbeitung ein gewisses Risiko dar.
Die typischsten Risikoprotektoren sind die von Dainese eingesetzten Titanium-Schulterprotektoren. Das Material ist extrem empfindlich hinsichtlich Kratzer und Verformung, auch weil die Protektoren nicht vollflächig anliegen sondern sich teilweise ein Hohlraum hinter dem Protektor befindet.
Fast alle gebrauchten Kombis weisen schon mehr oder weniger starke Beschädigungen (Kratzer und Dellen) an den Protektoren auf, wenn diese zu uns eingeschickt werden. Oftmals sieht man aber aufgrund der starken Verschmutzung nicht jede kleine Beschädigung.
Alle Kombis werden soweit es möglich ist gegen mechanische Beanspruchung und Trommelkontakt geschützt. Hierfür werden spezielle Netze und Zusatzpolster verwendet. Aber eine gewisse Restmechanik ist immer vorhanden. Hier spielt auch das Eigengewicht der Kombi eine Rolle. Ein normaler nasser Einteiler kann schnell bis zu 10kg wiegen. Auch kann man nicht alle Reißverschluss Teile vollständig abdecken oder Polstern (z.B. Bund-RV bei Zweiteilern).
An vielen Handschuh-Modellen sind ebenfalls Protektoren als Knöchel oder Handgelenkschutz angebracht. Diese können sowohl aus Metall oder auch aus Kunststoff bestehen. Oftmals sind die Kunststoffprotektoren hochglänzend oder zusätzlich mit einem Gewebe überzogen. Auch hier können leichte Oberflächenbeeinträchtigungen entstehen (kleinere Kratzer oder „blinde“ Stellen). Daher werden bei uns die Handschuhe auch immer einzeln und nochmals in einem gepolsterten Wäschenetz gereinigt. Was aber auch keinen 100% Schutz bieten kann.
Aus den oben aufgeführten Gründen können wir kleinere optische Beeinträchtigungen durch den Reinigungsprozess nicht vollständig ausschließen. Die Funktionsfähigkeit bleibt aber in jedem Fall erhalten.
Typische Gebrauchsspuren an Schulterprotektoren - auch ohne Sturzschaden. (Kratzer und Dellen – Bilder aufgenommen vor der Reinigung) |
Die Ursache für die Druckempfindlichkeit |
Schulterprotektor vor und nach der Reinigung. Vorschäden: Kratzer, Delle, Beschädigung an der Protektoreinfassung. Keine weiteren Beeinträchtigungen durch die Reinigung entstanden. |
Schulterprotektor vor und nach der Reinigung. Minimale Druckstellen sind entstanden (optische Beeinträchtigung). Die Funktionalität bleibt erhalten. |
Handschuhe mit Glanz-Kunststoff Protektoren vor und nach der Reinigung. Keine weiteren Beeinträchtigungen durch die Reinigung entstanden. |
Handschuh direkt aus Originalverpackung entnommen. Bereits erste „blinde“ Stellen zu sehen. |
3. Aufgedruckte/Aufgeklebte Logos und Schriftzüge
Einige Hersteller verwenden für ihre Logos und Schriftzüge kein aufgenähtes Leder sondern Folien die auf das Leder „gedruckt“ werden. Das Prinzip ist ähnlich wie bei einem T-Shirt Transferdruck. Leider ist die Haltbarkeit dieser Aufdrucke generell nicht sonderlich gut. In der Regel lösen sich schon beim normalen Gebrauch nach einiger Zeit erste „Ecken“ ab. In sehr seltenen Fällen kann es vorkommen, dass dies durch die Reinigung verstärkt wird. Schriftzüge oder Logos werden sich zwar nicht komplett ablösen aber es kann sein, dass die Folie an einigen Stellen bereits keine richtige Haftung mehr mit dem Leder hat.
Da immer mehr Hersteller an einigen Modellen diese Aufdrucke einsetzen und wir leider nicht im Vorfeld die Qualität jedes einzelnen Druckes einschätzen können, bleiben diese Aufdrucke ein Risiko.
Gleiches gilt für aufgeklebte Schriftzüge oder Logos. Hier werden zum Teil keine feuchtigkeitsbeständigen Kleber verwendet oder der Kleber hat auf Grund des Alters keine richtige Klebkraft mehr. Zu nennen wären hier z.B. die gummierten ARLEN NESS Schriftzüge am Kragen.
Sollte sich hier einmal etwas lösen und das Teil wird von uns gefunden, kleben wir es natürlich wieder an.
Typischer Aufdruck bei alpinestars mit bereits beginnender Ablösung vor (oben) und nach der Reinigung (unten). Keine Verschlechterung eingetreten aber die Gefahr besteht hier immer. |
4. Farbschäden, Lichtschäden, Ausbluten
Die meisten Kombis weisen bereits bei Einsendung zu uns gewisse farbliche Vorschäden auf. Dies können Farbabrieb durch Sturzschäden oder auch allgemeiner Abrieb an den Stoßkanten (RV, Tascheneingriffe, Arm- und Beinabschlüsse, Protektoreinfassungen, usw.) auf. An diesen Stellen ist die Farbschicht meistens nicht mehr so stabil, wie ohne Schaden. Auch bei älteren Kombis kann die Farbschicht durch Alterung und Witterungseinflüsse an Stabilität verloren haben. Auch hier besonders an den Stoßkanten.
Hier kann die Mechanik des Waschvorgangs und die Feuchtigkeit dazu führen, dass sich diese Bereiche etwas vergrößern. In der Regel ist das aber so minimal, dass es gar nicht auffällt.
Typischer Verschleiß der Farbschicht an der Reißverschluss-Kante vor und nach der Reinigung. Minimale Vergrößerung des abgeriebenen Bereiches durch den Reinigungsvorgang. In diesem Bereich war die Farbschicht nicht mehr stabil. |
Einige wenige Motorradkombi-Modelle neigen dazu, bei Kontakt mit Feuchtigkeit auszubluten (Abfärben). Dies liegt entweder daran, dass die Farbe bei der Lederfärbung nicht gut fixiert wurde. Das Ausbluten kann mehr oder weniger stark ausfallen. Risikomodelle sind hier die Dainese Ducati Modelle (rotes und grünes Leder) oder auch sehr alte Motorradkombis die noch aus Semianilin- oder Anilinleder gefertigt waren (sehr weiches Leder). In der Regel zeigt sich das Ausbluten dahingehend, dass farbige Zuschnitte bei Feuchtigkeitskontakt etwas auf z.B. weiße Zuschnitte abfärben. Dieser leichte „Schleier“ kann zwar in den meisten Fällen nachträglich entfernt werden aber kleinere Spuren können bleiben.
Typische „alte“ Motorradkombi aus Anilinleder. Man sieht die rötliche Schaumbildung bei der Vorbehandlung. Hier neigt das „rot“ zum Ausbluten bei Wasserkontakt. |
Es gibt sehr vereinzelt auch Extremfälle (äußerst selten), die so stark Ausbluten, dass es sogar ins Futter übergeht. Hier liegt dann ein eindeutiger Herstellungsmangel vor.
Extremfall: Starkes Ausbluten nach Regenfahrt (keine Reinigung!). Sogar das Futter wurde stark verfärbt. Leider ein Totalschaden. |
Wenn es vorkommt, dann zeigt sich das Neigen zum Ausbluten meistens bereits bei der Vorbehandlung. Wenn dies besonders schwerwiegend sein sollte, würden wir in solchen Fällen die Bearbeitung vorerst abbrechen und Euch informieren, damit das weitere Vorgehen abgestimmt werden kann.
Kombis die Neonfarben besitzen (gelb, orange, grün) neigen dazu, durch UV-Einwirkung (Sonne) auszubleichen (Lichtschaden). Dies kann entweder flächig geschehen (Schulterbereich) oder auch an „Knickstellen“ im Arm- und Beinbereich. Diese Knickstellen zeigen dann ein leicht „streifiges“ Farbbild.
Eine Reinigung kann dazu führen, dass sich dieser Effekt verstärkt. Leider lassen sich solche Bereiche nur mit sehr viel Aufwand wieder farblich angleichen. In einigen Fällen ist das gar nicht möglich, da nicht alle Farbtöne im Leucht-/Neonfarbenbereich angemischt werden können (siehe auch Infos zum Färben von Motorradkombis).
Die Ursache für diese Lichtschäden ist die deutlich geringere UV-Stabilität der Neonfarben im Vergleich zu den „normalen“ Farbtönen.
Beginnender Lichtschaden an einer KTM Kombi. Man erkennt das unruhige/streifige Farbbild. Diese Streifigkeit kann durch eine Reinigung verstärkt werden, wenn der Zerfallprozess der nicht UV-beständigen Anteile bereits weiter fortgeschritten ist. |
5. Flächige Farbablösung (Delamination)
In sehr seltenen Fällen kann es sein, dass sich große Bereiche der oberen Farbschicht bei Wasserkontakt ablösen. In diesen Fällen spricht man von Delamination. Die Ursache ist ein Qualitätsmangel bei der Lederherstellung, genauer bei dem Einfärben der Lederhäute. Die letzte abschließende Farb- bzw. Top Coat Schicht hat keine Verbindung zu den darunterliegenden Zurichtungsschichten. Der Effekt ist, dass man die oberste Schicht abziehen kann, wie Haut nach einem Sonnenbrand. In der Regel ist die darunter liegende Farbschicht identisch oder annähernd identisch.
Es gibt aber auch Fälle, da ist die darunter liegende Farbschicht ein anderer Farbton. Hier wurden dann die Lederhäute sehr wahrscheinlich nachträglich umgefärbt. Dabei wurde die untere Top Coat Schicht nicht gründlich aufgebrochen und die neu aufgebrachte Farbschicht konnte keine Verbindung eingehen.
Da dieses Problem in Einzelfällen nicht nur im Motorradkombi Bereich sondern auch im Möbel- und Automobilbereich auftritt, haben die Kollegen vom Lederzentrum in Göttingen die Ursachen und Hintergründe genauer untersucht und in einem ausführlichen Artikel beschrieben.
Link zu Infoseite Lederzentrum
Erste Anzeichen für eine beginnende Farbablösung kann man in Bereichen finden, wo das Leder verstärkt Falten bildet (Armbeugen und Kniebereich). Man kann dort möglicherweise bereits kleine Stellen finden an denen die oberste Farbschicht aufgebrochen ist.
Sollte dies der Fall sein, bitte vor einer Zusendung der Kombi mit uns Kontakt aufnehmen.
Sollten wir in der Vorbearbeitung erste Anzeichen feststellen, nehmen wir selbstverständlich mit Euch Kontakt auf, um ein weiteres Vorgehen abzustimmen.
großflächige Farbablösung durch mangelnde Farbhaftung (Qualitätsmangel). Unten rechts beginnende Delamination bereits im trockenen Zustand (häufig in Falten oder Knickstellen) |